Moral

Wenn köstliche Grilldüfte aus dem Nachbargarten herüberwehen, könnte ich schwach werden. Mein Hund findet Fleisch eigentlich zu jeder Gelegenheit lecker – ist ja auch sein gutes Recht. Gebiss und Verdauungsapparat machen ihn zu einem „Carni-Omnivoren“, einem Allesfresser, der bevorzugt Fleisch vertilgt. Simpel betrachtet sind wir Menschen ebenfalls Allesfresser, kommen aber auch ganz gut ohne Fleisch zurecht. Ich bin Vegetarierin und füttere meinen Hund mit Fleisch – wie passt das zusammen? (Dieser Beitrag enthält Werbung durch Verlinkung.)

Meine Entwicklung zum Vegetarier begann vor mehr als 20 Jahren – also schon relativ früh. Dabei gab es auch Flexitarier-Phasen. Wenn mir etwas besonders gut schmeckte, machte ich gern mal eine Ausnahme. Rouladen, Steaks, Burger und Co. mag ich theoretisch immer noch, was den Fleischverzicht für mich umso schwerer macht. Ich werde mit Sicherheit einer der ersten, begeisterten LaborfleischKonsumenten! Irgendwann hatte ich jedenfalls an der Moral noch mehr Geschmack gefunden. Zumindest an meiner persönlichen Einschätzung davon. Ich bin der Meinung, wenn man etwas tut, soll man möglichst immer auch dazu stehen können und damit im Reinen sein. Hierzu gehört auch die Verantwortung, sich der Konsequenzen seines Handelns voll bewusst zu sein. Deshalb habe ich irgendwann bei der Fleischproduktion genauer hingesehen. So genau, dass es ganz schön weh getan hat …

Abgesehen davon, dass wir möglichst regionale Bio-Produkte kaufen, basiert mein Konsum tierischer Produkte auf relativ simplen Fragen und Antworten: Kann ich einem Huhn ein Ei klauen und mir daraus ein leckeres Frühstück machen? Jupp! Kann ich eine Kuh melken und mir mit der Milch meinen Kaffee zubereiten? Auf jeden Fall! Kann ich ein Kälbchen von seiner Mutter trennen, es töten und zerlegen? No way! Welches Recht nehme ich mir also heraus, dass andere Menschen diese unschöne Aufgabe für mich übernehmen sollen? Die Eltern meines Freundes haben u. a. Gänse, die sie in ihrem großen Garten den ganzen Sommer über auf der Wiese laufen lassen, inklusive einer Bademöglichkeit und gesundem Futter. Wenn die Gänse zu Weihnachten für die Familie auf dem Tisch landen, ist das für mich in Ordnung. Es kommt auf das Gesamtpaket an, mit Respekt vor dem Lebewesen, das nicht nur als Festmahl geschätzt wird. Das ist etwas anderes, als „anonymes“ Hack vom Discounter …

„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ – Bertolt Brecht

Ich erwarte von niemandem eine Rechtfertigung dafür, warum er Fleisch isst. Dafür muss ich selbst mich regelmäßig rechtfertigen und oft liefert der Frager die für ihn passende Antwort gleich mit: „Och, weil dir die Tiere leidtun?“ Spätestens dann habe ich keine Lust mehr, zu reden. Ich komme einfach nicht darauf klar, wie der Mensch einige Tiere verhätschelt und andere isst – und sich dann je nach Kultur darüber echauffiert. Ich versuche allen Lebewesen mit Respekt zu begegnen und sie möglichst wenig in ihrer Lebensfreiheit einzuschränken.

Wenn man sich für ein Tier als Begleiter entscheidet, ist man verantwortlich – in erster Linie dafür, dessen essenziellen Bedürfnissen so gut wie möglich gerecht zu werden. Kann man dies einer bestimmten Tierart nicht erfüllen, sollte man sie sich nicht ins Haus holen. Fleisch gehört für Hunde zu einer artgerechten Ernährung. Ironischerweise verträgt Henry am besten Pferd. Ich komme aus einer Reiter-Familie, na toll! Unsere Pferde werden nicht geschlachtet. Nachdem sie uns viele Jahre freundschaftlich begleitet haben, dürfen sie ihre Rente bis zum Ende auf dem Hof verbringen.

Zwar gibts Pferdefleisch nicht aus der konventionellen Massentierhaltung, aber wie der Mensch nunmal ist, fällt ihm immer noch etwas mindestens genauso Schlimmes ein. Also begab ich mich auf die Suche nach Pferdeschlachtern in der unmittelbaren Umgebung und bin sehr dankbar, dass ich jemanden ausfindig machen konnte, der einmal im Monat nach meinen Wünschen grob gewolftes Fleisch frisch in Gefrierbeuteln für Henry abpackt. Morgens um halb Vier beginnt sein Tag und wenn ich um Sieben auf der Matte stehe, ist „das Gröbste“ schon erledigt. Da steht er dann, mit weißen Gummistiefeln, weißer Plastikschürze und wäscht den Schlachtraum aus, während ich an frisch am Haken platzierten Schweinehälften vorbeilaufe. Manchmal, wenn er noch beim Abpacken der Fleischportionen ist, unterhalten wir uns über das Schlachten. Weil ich wissen möchte, wie das abläuft, damit ich es verstehen kann.

„From knowing comes caring. from caring comes change.“ – craig leeson

Was die Kosten für das Fleisch aus der Nachbarschaft angeht, spare ich das Porto für den Versand von Frostfleisch und wenn man einen guten Schlachter gefunden hat, von dem man verlässlich größere Mengen abnimmt, ist der Preisunterschied minimal – bei wesentlich besserer Qualität. Ein nicht unwichtiger Punkt hinsichtlich des „grünen Pfotenabdrucks“ ist auch die Auswirkung der Massentierhaltung aufs Weltklima. Denn daran ist der Fleischkonsum unserer Haustiere mitbeteiligt.

Es kommt allerdings (noch) vor, dass ich bei Henrys Ernährung sündige. Wenn ich einen tollen Kausnack vom Pferd finde, z. B. Trockenware, die unser Schlachter nie im Angebot haben wird, dann schlage ich zu. Das Gute an einem Labrador ist, dass diese Beweise blitzschnell vernichtet werden!

Wie wichtig ist euch das „allgemeine“ Wohl bei der Ernährung eures Hundes?

Eure

Stefie-Sign

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