Katharina Von Der Leyen
KOSMOS © Katharina Von Der Leyen

Schwer zu sagen, wann ich auf die Idee kam, aufs Land zu ziehen. Ich war ein überzeugter Stadthundehalter, und plötzlich begann ich, vom Leben auf dem Land zu träumen. Zuerst so, wie man sich vorstellen mag, einmal im Segelboot nach Tahiti zu reisen. Ich hatte nicht vor, mir Hühner anzuschaffen und morgens die Eier einzusammeln (abgesehen davon, dass meine schwarze Großpudelin Luise die Hühner im Nullkommanix erjagt hätte), ich wollte nie Tomaten züchten, Radieschen ernten, Naturkosmetik verwenden und einen Komposthaufen anlegen. Ich vertrage Dr. Hauschka und Radieschen nicht, und wenn ich etwas kompostiere, dann nur aus Versehen in meinem Kühlschrank. (Dieser Beitrag entstand in freundlicher Kooperation mit dem Kosmos Verlag und enthält Werbung durch Markennennung & Verlinkung)

An meinen Hunden lag es nicht. Sie schätzten das Leben in der Stadt durchaus, wo kein Spaziergang dem anderen gleicht; sie mochten den beiläufigen sozialen Austausch mit anderen Hunden, freuten sich über Grillabfälle im Park und genossen es, im Café von Fremden umworben zu werden. Gerade Spaziergänge in der Stadt gehen für Hunde weit über das hinaus, was wir Menschen an der frischen Luft erfahren: Was für uns ein wenig Bewegung an Hauswänden entlang ist, wobei man sich den Wind durchs Haar streichen lässt, ist für den Hund Meter für Meter ein kreatives Ventil, ein Abenteuer für die Seele; es bringt ihn in Kontakt mit seinen Instinkten, also seinen Vorfahren.

Wir Menschen können die wahren Dimensionen eines Hundespaziergangs nicht einmal erahnen.

Der Hund hat die unglaubliche Chance, an eine Hausecke zu pinkeln, an die Hunde seit einem halben Jahrhundert gepinkelt haben (das muss für Hunde ungefähr so sein, als würden wir jeden Tag im Louvre oder in der Pinakothek spazieren gehen). Kein Hund muss so viel aufs Klo, wie es innerhalb eines Spazierganges den Eindruck macht. Hunde improvisieren. Sie wollen die Gesamtzahl ihrer Rivalen übertrumpfen. Jeder Grashalm ist eine Art Gästebuch, das von jedem Hund der gesamten Nachbarschaft unterschrieben wurde. Jeder Fußabdruck hat eine Bedeutung, jedes Loch, das irgendwo hinführt, oder irgendwann mal irgendwohin geführt hat und jedes kleine Tier – am liebsten ein totes Tier, ölig, gelatineartig oder auch jede Art unidentifizierbarer Glibber, der im Dreck altern durfte und einen unwiderstehlichen Geschmack entwickelt hat. Es gibt viel mehr Essbares, als Menschen sich je erträumen können.

Katharina Von Der Leyen
KOSMOS © Nicole Munninger

Die Hunde, die damals mein Leben teilten, waren Luise und Ida, eine schwarze und eine braune Großpudelhündin, und Harry und Fritz, zwei Italienische Windspiele vom amerikanischen Typ und damit etwas größer und bunter als ihre europäischen Vettern. Die schwarze Luise war der Anführer der Truppe, der ruhende Pol und personifizierter Beweis dafür, dass echte Anführer mit Ruhe und Souveränität regieren, nicht mit gefletschten Zähnen und Sanktionen. Sie verströmte so viel Adel, dass die meisten Menschen, die sie kennen lernten, kurz geneigt waren, den Hund zu siezen und ihm magische Fähigkeiten zusprachen. Ich dagegen fand häufig, sie sei eher so etwas wie eine Hexe, hochgradig manipulativ und von einem Selbstbewusstsein, das man sonst nur von schönen Frauen kennt, die obendrein auch noch sehr reich sind.

Luise war eine Diva mit großem Charme und ausgeprägtem Sinn fürs Wesentliche, die Kinder liebte, ein hervorragender Therapie-Hund war und einen auserlesenen Sinn für Humor besaß. Ida dagegen war wie die kleine freche Schwester von Luise; eine braune, gutgelaunte Hupfdohle und so weit entfernt vom Divatum wie Cindy Crawford von Oleg Popow, dem Clown. Sie war unglaublich vergnügt, besaß im Gegensatz zu Luise nicht den geringsten Jagdtrieb und liebte die ganze Welt. Mein Windspiel Harry trug seinen Namen wegen des Hitchcock-Films „The Trouble with Harry“. Er kam zu mir mit einer massiven Angststörung, die nicht auf irgendwelche Erlebnisse zurückzuführen, sondern leider Teil seiner Persönlichkeit war.

Kein Hund kostete mich so viele Nerven wie dieser zarte, empfindliche Sechs-Kilo-Hund.

Harry sorgte für unendlich viel Streit mit fremden Menschen, die sich von seinem hysterischen Gekläffe – einer schrillen Mischung aus „Kikeriki“ und „Tatütataa“ – provoziert und angegriffen fühlten, und verbrauchte aufgrund seiner Angst-Pieselei so viel Küchenrolle, dass wir wahrscheinlich mehrere Hektar Wald auf dem Gewissen haben, und begann alle Jahre wieder in genau dem Moment, in dem das Thermometer unter 15 Grad (plus) fiel, dramatisch mit den Zähnen zu klappern und sich mit leidend geschlossenen Augen auf den jeweiligen Weg setzte, ein Bild zum Erbarmen. Gleichzeitig hat Harry mir natürlich unendlich viel beigebracht, obwohl ich immer dachte, ich wisse schon längst alles über Hunde.

Ich kenne mich seinetwegen heute hervorragend mit Angst- und Stresssymptomen aus, weiß, welche Hilfestellungen man geben kann und welche Massagetechniken wirken. Es ist doch so: Jeder bekommt den Hund, den er verdient, den er braucht, und der ihn weiter bringt. Darum bekommen so viele Leute, die sich ganz blauäugig und ohne nachzudenken auf das Abenteuer Hund einlassen, oft die einfachsten, unproblematischsten Hunde, während die, die alles richtig machen wollen, solche Hunde erwischen, für die man eigentlich ein Studium in Verhaltensbiologie braucht, auf jeden Fall aber Gelassenheit, Ruhe und die Fähigkeit, den anderen – und sei es der Hund – erst einmal so anzunehmen, wie er ist, und dann mal weiterzusehen.

Inzwischen ist Harry kein Angsthund mehr, nur noch etwas kapriziös und kompliziert.

Und auch nicht mehr ganz so zart, weil etwas übergewichtig: Er sieht eher aus wie ein Baby-Grauwal. Ich schiebe seinen unmäßigen Appetit darauf, dass er seine Speckschicht eben als Schutzhülle gegen die Unbill des Lebens braucht. Fritz ist dagegen ein als Windspiel verkleideter Labrador: Nerven aus Drahtseil, selbstbewusst, frech und draufgängerisch, furchtlos und vergnügt. Ich bekam ihn, weil es deutlich war, dass Harry sich nicht genug an den Pudeln orientierte, sondern offenbar seinen eigenen Phänotyp brauchte, um sich wirklich sicher zu fühlen. Fritz, obwohl ein Jahr jünger, nahm Harry buchstäblich an die Hand und half dem Zitteraal, sich in seinem Windschatten dem Leben zu stellen. …

Jede neue Kolumne von Katharina von der Leyen ist für uns wie ein kleiner Feiertag: Beim Lesen fühlt man sich glücklich, verstanden und ein bisschen wie zuhause. Jetzt hat die Mehrhundehalterin ein neues Buch veröffentlicht. In „Halten Sie Ihr Huhn fest!“ berichtet die Autorin vom ländlichen Alltag mit Hund – mit all seinen Komplikationen und Pannen. Denn einsame Wälder und Wiesen sind aus der Hunde-Perspektive ein paradiesischer Spielplatz  – aus Sicht der Zweibeiner bietet das Landleben mit Hund dagegen Facetten, die sich im städtischen Park nicht erahnen lassen. Sechs Jahre Landleben mit Hunden haben Katharina von der Leyen jede Menge Erfahrungen beschert, die sie nun locker, komisch und pointiert mit uns teilt. Wir freuen uns, dass wir euch mit dem oberen Text einen kleinen Vorgeschmack präsentieren dürfen – wer wissen möchte, welche Abenteuer Katharina und ihre Hunde-Bande gemeinsam auf dem Land erleben, schnuppert am besten direkt ins Buch …

Wir wünschen euch dabei genauso viel Vergnügen, wie wir es über die rund 217 Seiten hatten!

Leseprobe mit freundlicher Genehmigung vom KOSMOS Verlag.

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