Wölfe

Vor kurzem habe ich das Glück getroffen – es hat dichtes Fell, gelbe Augen und riecht nach nichts außer Natur. Meine Begeisterung für Wölfe begann, als ich im Alter von 13 Jahren die „Wolfsaga“ von Käthe Recheis verschlang. Und wieder und wieder. Das Gold auf dem Schriftzung ist nur noch brüchig vorhanden. „Ein hohes Gitter zwischen mir und den Wölfen, ein tiefer Graben, den sie leicht überspringen könnten, wäre nicht der Drahtzaun dahinter … Zwei Wölfe laufen entlang des Grabens; sie kehren um, laufen zurück, kehren wieder um. Wie weit laufen Wölfe, wenn sie ihrer Beute folgen, fünfzig Kilometer oder mehr? … Der schmächtige Wolf unter dem Busch ist eingeschlafen. Sein Schwanz bewegt sich, die Ohren zucken. Läuft er im Traum durch hohes Gras, das seine Flanken berührt, läuft er im Schatten endloser Wälder dahin? Ich wünsche, ich könnte mein Menschsein vergessen und den Traum des Wolfes mit ihm träumen.“ (Dieser Beitrag enthält Werbung durch Markennennung & Verlinkung.)

Als ich 2016 das Interview hörte, in dem Elli Radinger von ihren Wolfsbegegnungen berichtete, war ich voller Sehnsucht. Und als vor ein paar Monaten das neue Buch aus einer Zusammenarbeit zwischen ihr und Günther Bloch erschien, stand mein Entschluss fest:

Ich muss endlich Wölfe treffen!

Möglich macht meine Traum-Erfüllung Tanja Askani. Wir treffen uns an einem milden Herbst-Morgen auf dem Parkplatz des Wildparks Lüneburger Heide, wo mehrere Wolfsrudel zuhause und unter Tanjas liebevoller Pflege sind. Voller Erwartungen stecken wir in den robusten Klamotten, die uns aufgetragen wurden: Nichts mit Leder, nichts mit Federn, nichts mit Fell. Noch eine letzte Frage von der Wolfsexpertin: „Möchtet ihr das jetzt wirklich?“ Auf jeden Fall!

Wölfe

Durch einen Nebeneingang laufen wir zum Gehege der Grau- und Polarwölfe. Vor ein paar Wochen sind kleine Welpen eingezogen, die inzwischen vier Monate alt sind, voller Neugier auf die Welt und bereits von beachtlicher Größe! Als wir den abgetrennten Zwischenbereich der Gehege betreten, wimmelt es am Zaun vor pelzigen Geschwistern, auf der Suche nach dem besten Platz um ihrer Bezugsperson näher zu kommen und einen Blick auf die fremden Menschen zu werfen. Im angrenzenden Gehege auf der anderen Seite nimmt Rico den Besuch cool zur Kenntniss – der alte Wolf kömmt näher, begutachtet uns und verscharrt mit der Schnauze ein Überbleibsel seiner letzten Mahlzeit im Sand.

Die Welpen sind ein wilder Haufen, der noch von der knapp anderthalbjährigen Polarwölfin Nitika betreut wird. „Das ändert sich aber bald“, prophezeit Tanja Askani. Nach vielen Jahrzehnten, in denen sie junge Wölfchen teilweise mit der Flasche großgezogen hat, verfügt sie über einen gewaltigen Erfahrungsschatz. Auf ihrer Internetseite oder bei einem persönlichen Treffen im Wildpark könnt ihr euch ein eigenes Bild machen. Ich fand Tanja sehr beeindruckend – sie nahm sich Zeit, unsere vielen Fragen ehrlich und persönlich zu beantworten und hatte dabei immer einen wachsamen und liebevollen Blick auf „ihre“ Wölfe.

Wölfe

Als sie die Situation passend einschätzte, öffnete sie die Tür des Geheges zum Zwischenbereich und eine muntere Schar Wölfe kam zu uns herein, schnupperte an Gesichtern, kaute an Schuhen und Knöpfen und freute sich über Leckerlis aus gedörrtem Fleisch. Was mir als erstes auffiel, war der nicht vorhandene Geruch: gesunde Wölfe riechen weder aus dem Maul noch vom Fell. Bei den Kleinen könnte man meinen, man hätte es mit verspielten Hundewelpen zu tun. Aber bei genauerem Betrachten fand ich, dass Wölfe von ihrem allgemeinen Wesen her weniger mit unseren domestizierten Hunden gemeinsam haben, als ich erwartet hätte. Ich war allerdings auch nur knapp anderthalb Stunden zu Besuch. In so kurzer Zeit kann man ja auch keine fremden Menschen richtig kennenlernen, bzw. einschätzen.

Die Mimik, Laute, Bewegungsabläufe und das Verhalten der Wölfe waren ganz eigen und sehr faszinierend.

Tanja Askani tritt ihren Tieren gegenüber mit viel Liebe und Souveränität auf. Es wird gespielt, gekrault und bei aller Zuneigung zeigt Wölfin Nitika sichtlichen Respekt gegenüber ihrer Bezugsperson. Wenn Askani sie mal mit etwas energischerer Stimme zur Ordnung ruft, wendet sich die Wölfin seitlich ab, senkt den Kopf und beschwichtigt. „Jeder meiner Wölfe erhält von mir ein Versprechen, dass ich bis zum Schluss für ihn da bin. Ich weiß, dass dieses Leben nicht artgerecht für die Tiere ist. Aber ich versuche, es ihnen so angenehm wie möglich zu machen.“ Trotz der engen Bindung wird Tanja noch immer von ihren Tieren überrascht. Wie zum Beispiel, als sich die Wölfe einer Besucherin gegenüber besonders nervös verhielten und sich später herausstellte, dass die Frau an Epilepsie erkrankt war.

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So feinfühlig wie die Tiere sind, entgeht ihnen ganz bestimmt auch nicht unsere freudige Aufregung – aber sie sehen großzügig darüber hinweg. Wie nah einem diese tollen Tiere kommen, wie wunderschön sie sind, ihre wilde Ausstrahlung und ihr imposantes Verhalten haben mich bei diesem Treffen unvergleichlich glücklich gemacht. In diesem Zusammenhang ist der „böse Wolf“ so unrealistisch, wie das Märchen selbst. Natürlich handelt es sich hier um Wölfe, die an den Menschen gewöhnt sind. Aber das macht im Generellen keinen Unterschied – es sind wahnsinnig soziale Tiere und ganz individuelle Persönlichkeiten, die in ihrem eigenen natürlichen Kosmos leben. Soweit der Mensch sie lässt. Und für anderthalb Stunden haben die Wölfe mich gelassen, wie in meinem Lieblingsbuch: „Ich wünsche, ich könnte mein Menschsein vergessen und den Traum des Wolfes mit ihm träumen.“

Habt ihr auch schon mal Wölfe getroffen, und was fasziniert euch an diesen Tieren?

Eure

Stefie-Sign

Wölfe

Fotos: Tanja Askani

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