Was dem Herrchen sein Hund, ist dem Falkner sein Vogel – so würde ich meinen Tag im Greifvogelzentrum Schleswig-Holstein zusammenfassen. Bevor ich die Falknerei von Dietmar Damm kennenlernte, hätte ich nicht erwartet was für eine innige Beziehung Mensch und Vogel zueinander aufbauen können. Mit so viel Stolz, wie mancher Falkner über seinen geflügelten Gefährten spricht, steht er kaum einem Hundemenschen in etwas nach. Auch die Geduld im Training, das gegenseitige Vertrauen, der Respekt voreinander und die Verantwortung für seinen Schützling lassen Parallelen zu unserem Hundealltag erkennen. Für einen Tag durfte ich Greifvögel hautnah erleben – was mich so beeindruckte, dass ich den Falknerhandschuh am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte … (Dieser Beitrag enthält Werbung durch Markennennung & Verlinkung.)
Seit rund 3.500 Jahren gibt es die Beizjagd (so nennt man die Jagd mit Greifvögeln). In Deutschland und anderen Staaten ist die Falknerei als UNESCO-Kulturerbe anerkannt. Auch wenn die Haltung von und die Jagd mit Greifvögeln nicht nur Befürworter hat. Wenn man sich ein eigenes Bild machen möchte, bieten einige Falknereien die Möglichkeit an, hinter die Kulissen zu schauen, die Vögel kennenzulernen und den Experten Löcher in den Bauch zu fragen. Falknerei ist – wie Hundehaltung – unglaublich vielseitig und man lernt nie aus, was das Spannende daran ist. Allen, die das Leben mit und Training von Greifvögeln interessiert, kann ich das Buch „Die Beizjagd“ von Elisabeth Leix empfehlen. Ich habe es nach meinem Falknertag verschlungen! Hier gibt es nun eine kleine Zusammenfassung meiner bisherigen persönlichen Erfahrungen:
Vertrauen muss man sich verdienen – positives Verhalten ist die währung
Um einheimische Greifvögel (z. B. Habicht, Wanderfalke oder Steinadler) zu halten und zu trainieren, benötigt man in Deutschland einen Falknerschein als offiziellen Nachweis über die nötigen Kenntnisse zur Haltung, Pflege und dem Abtragen von Greifvögeln. So ein „Führerschein“ wäre generell auch für Hundehalter nicht verkehrt. Der kleine Greif zieht – ähnlich wie ein Welpe – nach bestimmter Zeit in sein neues Zuhause ein. Manche Falkner ziehen Greifvögel selber auf, während andere Vögel aus Elternaufzucht bevorzugen. Das Abtragen (die Gewöhnung des Vogels an den Menschen) gelingt durch positive Erfahrungen, die der Jungvogel mit dem Falkner macht. Wie bei Hunden steht Futter auch bei Greifvögeln hoch im Kurs. Ein bisschen erinnert die Ernährung von Eule, Bussard und Co. an BARF: es gibt rohes Fleisch, z. B. Küken, Mäuse, Kaninchen oder anderes Wild. Nach dem Motto „Die Hand, die dich füttert, beißt man nicht“ lernen die Vögel den Falkner und seine Hand bzw. den Handschuh weder zu fürchten noch anzugreifen.
Im Rahmen der Grundausbildung erhalten die jungen Greife ihr Geschüh. Dazu gehören die Lederriemen an den Beinen, eine Glocke und eine Marke mit der Telefonnummer das Falkners – ähnlich, wie Hundehalsband und Marke. Manchen Vögeln (hauptsächlich Falken) wird außerdem eine Haube angepasst, die die Tiere unterwegs während sie nicht fliegen beruhigt, da Außenreize abgeschottet werden. Allgemein ist es wichtig, den jungen Vogel behutsam mit unterschiedlichen Situationen (z. B. Autos, Regenschirme sowie Hunde) vertraut zu machen, damit er sich später nicht erschreckt und panisch davon fliegt. Der Falknerhandschuh soll dem Greifvogel stets Sicherheit vermitteln und ein Ort sein, an dem man sich gerne aufhält bzw. dorthin zurückkehrt. Ausflüge mit dem Vogel auf dem Handschuh gehören zum Pflichtprogramm. Ich durfte mit dem Falken Luke eine Runde durch den Wald spazieren. Auch wenn der Terzel (Männchen, das kleiner und leichter als das Weibchen ist) nur knapp 1 kg wiegt, habe ich meine Armmuskeln bald gespürt – Greifvögel trägt man traditionell mit links.
greifvögel sind treue opportunisten
Wenn sie nicht draußen mit dem Falkner unterwegs sind, verbringen Beizvögel den Tag in ihrer Voliere oder angebunden auf ihrem Sitzplatz, z. B. im Garten. Die Volieren sollten eine bestimmte Größe nicht überschreiten, da der Vogel darin sonst zu viel Geschwindigkeit aufbauen und sich verletzen kann. Laut Biologen verbringen Greifvögel die meiste Zeit sitzend – sie fliegen um zu jagen, zu balzen oder ihr Revier abzustecken. Für diese Aktivitäten teilen sie ihre Energie effektiv ein und fliegen nicht „zum Spaß“. Wenn wir heimische Greife am Himmel kreisen sehen, haben wir Glück, denn den Großteil des Tages verbringen die Vögel in Deckung.
Die Lederriemen an den Füßen der Vögel haben einen ähnlichen Sinn, wie die Hundeleine. Wenn man diese loslässt und das Kommando gibt, geht’s ab. Greifvögel können ihren Falkner zum Beispiel in der „freien Folge“ begleiten – dann fliegen sie von Baum zu Baum und landen zwischendurch auf dem Handschuh. Raubvögel werden in der Falknerei u. a. zur Vergrämung eingesetzt, zum Beispiel um Wild von Flughäfen fernzuhalten oder Tauben das Brüten im städtischen Raum ungemütlich zu machen. Dabei muss nicht unbedingt ein Tier durch den Greifvogel erlegt werden – dessen Präsenz ist allgemein Wirkung genug.
Wie mit Hunden kann man auch mit Greifvögeln auf die Jagd gehen. Es ist sogar möglich, dass Falkner, Frettchen, Hund und Vogel als Team zusammenarbeiten: Der Hund sucht einen Bau, das Frettchen geht hinein und der Vogel schlägt das fliehende Kaninchen. Darüber hinaus gibt es auch noch die Show-Falknerei, die einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung leistet: „Man schätzt und schützt, was man kennt.“ In diesem Video gibt es einen tollen Einblick in die vielseitige Falknerei.
richtig ausgeübt, ist falknerei aktiver tierschutz
Da Greifvögel es naturbedingt so lange wie möglich verbergen, wenn es ihnen gesundheitlich nicht gut geht, wiegt der Falkner seinen Gefährten täglich. So kann man erkennen, wie es um die allgemeine Konstitution des Vogels bestellt ist. Zum Beispiel nach der Mauser müssen die Muskeln und Kondition langsam wieder aufgebaut werden. Besteht ein inniges Verhältnis zwischen Mensch und Tier, lassen sich die Vögel vertrauensvoll von ihrem Falkner streicheln und untersuchen. Viele Falknereien nehmen verletzte Wildvögel auf und entlassen diese anschließend wieder in die Freiheit. Der natürliche Bestand teilweise bedrohter Arten (z. B. Wanderfalke, Seeadler) wurden in Zusammenarbeit mit Falknern wieder auf eine stabile Population gebracht. Zu den Gefahren für freie Greifvögel gehören u. a. Windkraftanlagen, Glasflächen, Stromleitungen, Stacheldrahtzäune, Straßenverkehr, vergiftete oder zu wenige Beutetiere sowie der Abschuss und illegale Fang.
Ich fand es wahnsinnig toll, wie vertrauensvoll die Greifvögel zu mir auf den Handschuh geflogen sind – oben seht ihr Bartkauz Murphy, darunter Weißkopfseeadler Yukon und rechts einen Bussard. Wie bei unterschiedlichen Hunderassen hat auch jede Vogelart individuelle Eigenschaften, zu denen der persönliche Charakter hinzukommt. Besonders begeistern mich Harris Hawks (Wüstenbussarde). Diese sind sehr sozial und jagen zum Beispiel ähnlich wie ein Wolfsrudel mit verteilten Aufgaben.
Eulen- und Hundefans kann ich die wunderbare Facebook-Seite von Ingo & Friends empfehlen, und Sandra Jung gibt auf Instagram tolle Einblicke in ihr Leben mit Greifvögeln. Ich hoffe, dass ich in naher Zukunft die Gelegenheit bekomme, diese beeindruckenden Tiere weiter kennenzulernen. Vielleicht ja sogar zusammen mit Henry. Bis dahin beobachten wir auf unseren Spaziergängen das Leben in der Luft und suchen Raubvogel-Federn. Und vielleicht ergänzt ja irgendwann mal ein Harris Hawk unser Rudel – man darf ja auch noch Träume haben …
Liebe Grüße,
Comments